Mit dieser Ausgangsbasis verliefen die folgenden 3 Jahre für mich nicht unbedingt reibungsfrei. Abgesehen davon, dass ich nie in die Oberstufe, sondern beim Fotografen im Ort eine Lehre absolvieren wollte, was aber in meiner Lehrerfamilie einfach ignoriert wurde, hatte nun ausgerechnet ich den unbeliebtesten Lehrer der Schule.
Irgendwie schaffte ich es zwar immer wieder, rechtzeitig zum Jahresende, meine Fleck-Liste mittels Nichtgenügend-Prüfung vor den Ferien auf ein Genügend zu wuchten, aber ich habe wirklich nichts kapiert, weder Vektoren, noch Gleichungen oder Geometrie, einfach gar nichts. Alles was mit dieser schrecklichen Person in Verbindung stand habe ich (oder mein Gehirn) einfach nicht aufgenommen, obwohl ich mich wirklich abmühte, es zu begreifen, es ging nicht.
Inzwischen hatte der Unsympathler nicht nur unsere Kaffemaschine und andere persönliche Dinge aus dem Fenster geschmissen, die Liste seiner Beschimpfungen, die bis zu "Guten Morgen, ihr Arschlöcher" reichte, schien endlos und er hatte mich am Schikurs fälschlicher Weise (er hielt mich für einen Jungen, woran vielleicht das Bier schuld war, nachdem er stank) am Hals gepackt und wollte mich in hohem Bogen aus dem Mädchen-Zimmer schleudern (so wie er es mit den Burschen tat), wenn ich ihn nicht ordentlich angebrüllt hätte. Verdutzt stellte er mich wie eine heiße Kartoffel ab, während sich die Jungs, die rücklings im Regal oder außerhalb des Zimmers landeten, wieder hochrappelten.
Die Reifeprüfung nahte. Was sollte ich tun? Mir war klar, dass ich alles neu lernen musste und bat in größter Verzweiflung (nachdem alle Nachhilfestunden nichts geholfen hatten) einen Mitschüler um Rat. Er willigte ein, denn er wusste, bei meinen Eltern auf der Terrasse darf man beim Mathelernen Zigaretten rauchen und Sekttrinken, Schmattes gab es obendrein. Ich kann mich nicht genau erinnern, wie lange er mir half, ich weiß nur, dass ich nach seiner ersten Erklärung mehr verstanden habe als in 3 Jahren Unterricht. Die Vektoren fand ich plötzlich einfach, auch das andere habe ich sehr schnell kapiert und bei der Matura versäumte ich bloß um einen halben Punkt den Zweier! Dieser gute Dreier war die beste Note meiner Oberstufenkarriere, trotzdem befasste ich mich nicht mehr mit Mathematik. Ich fragte meine Freunde, oder nahm den Taschenrechner, aber mit Rechnen wollte ich nichts zu tun haben.
Das klappte super bis zu dem Zeitpunkt, als mich mein erstgeborener Sohn eines Tages fragte, was denn nun 7 mal 8 sei. Ich habe es ihm in Schritten erklärt (weil ich es selbst nicht mehr auf Anhieb wusste) und beschlossen, dass ich meine Einstellung ändern muss. Eine gute Investition war ein Buch zum Mathematikunterricht in der Volksschule, das darauf aufbaute, die Zahlen über 5 in 5 plus irgendetwas zu zerlegen, bei dessen Lektüre mir bewusst wurde, dass mir nicht nur der Oberstufenstoff fehlte...
Von da an ging es bergauf und mittlerweile macht es mir sogar großen Spaß, mathematischen Gesetzen auf den Grund zu gehen oder praktische Anwendungen zum Lernstoff, zu finden, die die Kinder so begeistern.
Ein tolles Buch mit vielen Papierflugzeugen. |
Einfach herausreißen und falten (oder kopieren). |
Mehrere Modelle werden getestet, |
und Piloten hinzugefügt. |
Das Buch beinhaltet eine ganze Palette an Ergänzungen zum richtigen Fliegen (innen oder außen), für Kunstflüge, Segeltechnik, Höhenrudereinstellungen und ähnlichen Details.
Und nun zum mathematischen Teil, zwei Ideen, die mir auf Anhieb zu den tollen Flugobjekten einfielen:
Und nun zum mathematischen Teil, zwei Ideen, die mir auf Anhieb zu den tollen Flugobjekten einfielen:
Wie hoch/weit fliegt der Eagle? Notieren, in mm und km umrechnen. |
Fläche vor und nach dem Falten berechnen. |
Diese (und noch viele weitere) Berechnungen lassen sich auch mit gewöhnlichen Papierflugzeugen im Mathematikunterricht an der Schule durchführen oder vielleicht auch eine Idee für Kinder in Förderung, die, so wie ich einst, mit Mathematik längst abgeschlossen haben.
Für meine ehemaligen Mitschüler und um der Meinungsfreiheit willen:
- Der Unsympathler ist auch der Grund, warum ich bis heute jedes Klassentreffen wie die Pest meide, auch wenn es mir leid tut, dass ich meine ehemaligen Mitschüler, an denen der ganze Horror anscheinend spurlos vorüber ging, nicht wiedersehe. Aber in keinem Fall werde ich mich je mit diesem Ungustl an einen Tisch setzen, geschweige denn, mit ihm gemeinsam ein Pils runterspülen. Ich frage mich, warum die anderen, mit Ausnahme seines Hauptopfers, das auch nicht zu den Treffen erscheint, nichts sagen und so tun, als wäre er ein ganz normaler Mensch. Ich finde keine Antwort.
- Der Unsympathler und seine damaligen, ehrlosen Kollegen (auf die ich vielleicht mal an anderer Stelle zu sprechen komme) sind natürlich einer der vielen Beweggründe, die Kinder zuhause zu unterrichten.
Uff, das ist eine heftige Geschichte. Meine Mathe-Erlebnisse waren nicht so schlimm, aber ich habe auch erst vor einigen Jahren (als ich das Dyskalkuliestudium machte) die Mathematik richtig kennengelernt.
AntwortenLöschenWelches Buch war das denn für die Volksschule?
Liebe Grüße
Stephany
Leider. Vorallem, wenn man bedenkt, dass es ein Hauptopfer gab, das jeden Samstag wegen der geringsten Verspätung zur Schnecke gemacht wurde, obwohl ihre Mutter gerade verstorben und der Vater sie vor dem Unterricht als Arbeitskraft in seinem Betrieb einsetzte... Mir kommen heute noch die Tränen, wenn ich an das tapfere Mädchen denke.
LöschenEs gibt einen Post zum Buch (Neues Rechnen- Neues Denken)!
Liebe Grüße, Karin